Gedanken zum Beginn der Fastenzeit

Ostern: Wie Phönix aus der Asche

„Sich Asche aufs Haupt streuen“, „In Sack und Asche gehen“: Die Asche als Zeichen der Bußgesinnung ist sprichwörtlich. Und das nicht erst seit dem Christentum. Dafür bringt die Asche insgeheim schon den ganzen Auferstehungsglauben zum Ausdruck.

Ein Aschenkreuz auf der Stirn muss es übrigens gar nicht sein: In vielen Gemeinden wird den Gläubigen diesen Mittwoch Asche auf den Scheitel gestreut. Früher, als die Frauen noch in den Kirchen ihr Haar bedeckten, bekamen nur sie ein Kreuz aufgezeichnet. Den barhäuptigen Männern rieselte dagegen die Asche von den Haaren hinunter. 

Die mit dem Aschermittwoch verbundene Sakramentalie der Aschenauflegung ist auf Seiten der Gläubigen Ausdruck dafür, die 40 Tage der österlichen Bußzeit als Gelegenheit der Umkehr zu Gott zu nutzen. Sie zeigen damit ihre Bereitschaft, in der Zeit bis Ostern das Gebet zu pflegen, Fasten und Verzicht zu üben, Werke der Nächstenliebe zu verrichten sowie die Versöhnung mit Gott, seiner Kirche und den Mitmenschen zu suchen. 

Mit den Worten „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst“ (siehe Gen 3,19) oder der neuen Variante „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (siehe Mk 1,15) wird den Gläubigen vor Augen geführt, dass sie dem Tod unwiderruflich verfallen sind, wenn sie nicht zu Gott umkehren. 

Sich in die Asche setzen

Die Asche als letzter Rückstand verbrannten Lebens ist somit ein Bild der Vergänglichkeit und Wertlosigkeit, bevor es zum Symbol für Trauer und Buße wird. Sich den Kopf mit Asche zu bestreuen ist keine christliche Erfindung, nicht einmal eine jüdische, sondern ein im ganzen antiken Orient und Mittelmeerraum verbreitetes Klagezeichen. Noch eindrucksvoller gerät die Geste freilich, wenn man sich gleich ganz in die Asche setzt, statt sich nur damit zu bestreuen. Die Ägypter pflegten diesen Brauch, ebenso die Araber und auch die Griechen. Homer beispielsweise schildert in der „Odyssee“ (um 700 vor Christus), wie der verzweifelte Odysseus den König der Phaiaken anfleht, ihn in die Heimat zurückkehren zu lassen, und nach beendeter Rede „am Herd in die Asche sich niedersetzt, neben dem Feuer“.

Etwa 500 Jahre später begegnet diese Geste in den Schriften des Alten Testaments: Der mit einem bösartigen Geschwür geschlagene Hiob setzt sich in die Asche, schabt sich mit einer Tonscherbe und muss sich von seiner Frau gotteslästerliche Reden anhören.

Der König von Ninive, als er die Nachricht vom Propheten Jona vernimmt, dass seine Stadt in 40 Tagen zerstört sein wird, steht von seinem Thron auf, legt seinen Königsmantel ab, hüllt sich in ein Bußgewand und setzt sich in die Asche. Es hilft übrigens. 

Jesus von Nazareth nimmt diese Erzählungen auf, als er den Städten, die ihn und seine Gesandten nicht aufgenommen haben, die heidnischen Orte vorhält, die zur Umkehr bereit sind: „Wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt“ (Lk 10,13).

Das Auflegen von Asche als Zeichen der Nichtigkeit und Vergänglichkeit fand früh Aufnahme in die Liturgie der Kirche, besonders bei der Kennzeichnung öffentlicher Sünder zu Beginn ihres Ausschlusses vom Gottesdienst. Nachdem die Dauer der Fastenzeit auf 40 Tage festgesetzt wurde, unter anderem wegen der 40 Tage, die Jesus in der Wüste fastete, wurden die Sünder am Aschermittwoch mit Asche versehen und bis Gründonnerstag wie Adam und Eva aus dem Kirchen-Paradies vertrieben – daher die „Staubworte“ am Aschermittwoch. Daher stammt auch der Begriff der isolierenden „Quarantäne“ (volkslateinisch abgeleitet von „quadraginta“ für die Zahl 40). 

Als sich die Bußpraxis infolge der Ohrenbeichte – einem iroschottischen Import – veränderte und im zehnten Jahrhundert ihren öffentlichen Charakter verlor, blieb vom Ritus lediglich die Asche zurück. Seit einer Bestimmung der Synode von Benevent aus dem Jahr 1091 wird sie allen Gläubigen am Aschermittwoch aufgetragen.

Zum Leben erwachen

Interessant ist die Vorschrift aus dem zwölften Jahrhundert, für die Aschengewinnung Palmzweige des Vorjahrs zu verbrennen. Dort, wo keine Palmen wachsen, wurden die bei der Palmsonntagsprozession stattdessen verwendeten Pflanzen umbenannt – wie zum Beispiel die Sal-Weide in „Palmkätzchen“. 

Abgesehen davon, dass sich ja nicht Ruß aus dem Kamin für den Aschenritus empfiehlt, ist schon allein das Wort „Palme“, griechisch „Phoinix“, entscheidend. Darin klingt der Name des Fabelwesens Phönix (griechisch ebenfalls „Phoinix“) an, der aus seiner Asche zu neuem Leben erwacht – so, wie Christus drei Tage nach seinem Tod zu unvergänglichem Leben aufersteht. Römische Kirchenmosaiken aus dem frühen neunten Jahrhundert zeigen daher einen Phönix auf einer Palme.

Die antike Phönix-Legende erfreute sich gerade im Mittelalter über die sogenannten „Bestiarien“ wie dem „Physiologus“ großer Beliebtheit und deutete das Fabelwesen in ein leuchtendes Christussymbol um. So bildet die Fastenzeit von der Aschenauflegung am Aschermittwoch bis zum Eintritt in die Heilige Woche gleichsam einen Kreis, in dessen Zentrum der an Ostern auferstandene Erlöser Jesus Christus steht.

Peter Paul Bornhausen